Die Lady reitet der Teufel

03-Reitet der TeufewlDie Lady reitet der Teufel

 

Aus dem Klappentext der deutschen Erstausgabe: Zuerst nennt man die Drohungen noch Schwindel. ´´Das Werk eines Verrückten´´, sagt man obenhin.
Dann aber sind es plötzlich mehr als hundert Fälle von Erpressung. Manche Opfer zahlen und überleben. Die anderen sterben. Und jetzt spricht keiner mehr von Schwindel.
Wer sind die Killer? Wie richten sie es ein, daß manche ihrer Opfer ´ganz natürlich´ sterben — durch Blitzschlag, an Herzattacken oder im Restaurant an einer Gräte? Und warum sterben andere durch Gewalt?
Modesty Blaise und Willie Garvin reitet fürwahr der Teufel, daß sie es wagen wollen, das Geheimnis dieser seltsamen und raffiniertesten Mörderbande zu enträtseln.

 

Wish winkte Sangro zurückzutreten und entfernte sich dann von den Duellanten, bis er zwischen ihnen, aber weit außerhalb der Schusslinie stand. In einer Hand hielt er seinen schweren Colt Commander. Mit der anderen hob er ein weißes Taschentuch in die Höhe.
"Aufgepasst", sagte er. "Wenn ich den Fetzen fallen lasse, legen Sie los."
Collier stand ein wenig abseits von der Gruppe um Seff, bewacht von der Flinte eines Moro, und murmelte wüste und bittere Flüche in sich hinein. Seine überreizten Nerven ließen Hände und Gesichtsmuskeln unkontrolliert zucken.
Das Taschentuch fiel. Zwei Hände bewegten sich so schnell, dass das Auge nicht zu folgen vermochte. Willie Garvins Finger schienen das Messer kaum zu berühren, und doch hielt er es bereits an der Spitze und warf. Modesty duckte sich beim Schießen, und der Stahl des Messers blitzte auf, als es über ihren Kopf hinwegzischte.
Collier sah Willie Garvin taumeln. Seine Hand krampfte sich über dem bloßen Bauch zusammen, dann stand er still, leicht geduckt, und hob den Kopf, den Blick auf Modesty geheftet. Sie war in der Haltung erstarrt, in der sie gefeuert hatte, den Colt in Hüfthöhe auf ihn gerichtet. Ein Windhauch zupfte am Saum ihres grünen Cheongsam.
Collier sah wieder zu Willie und bemerkte, dass die auf seinen Magen gedrückte Hand rot war von Blut, das zwischen den Fingern hervorquoll. Die Moros waren nach einem kurzen erregten Aufschrei verstummt, und nun wurde es ganz still, so still, dass Collier sogar aus vierzig Schritt Entfernung das Keuchen von Willies gequälten Atemzügen hören konnte.
Immer noch hielt er sich auf den Beinen. Seine Stimme war schmerzerstickt, aber deutlich vernehmbar. "Du hättest es nicht auf die langsame Tour machen müssen …!" Aus dem schrillen Aufschrei klang eine beinahe absurde Empörung.
Willie Garvin wandte sich ab. Schwer atmend, stolpernd, vor Schmerz zusammengekrümmt, taumelte er auf die Kante der Klippe zu. Niemand bewegte sich. Er torkelte über den Rand und stürzte kopfüber in die Tiefe.
Modestys Hand mit der leer geschossenen Waffe sank schlaff herab. Sie setzte sich langsam in Bewegung. Seff, Regina, alle liefen jetzt los.
Collier würgte, übergab sich, wischte sich das schweißfeuchte Gesicht und schloss sich den anderen an.
Willie Garvin lag mit dem Gesicht nach unten im nassen Sand ausgestreckt. Sein Körper ruhte halb auf einem der kleinen Felsbrocken, die hier und da aus der glatten Fläche herausragten. Die Hälfte seines Gesichts und der Felsen waren blutverschmiert.
Luzifer sagte mit königlicher Würde: "Nun hast du es gesehen, Asmodeus. Nun habt ihr es alle gesehen."
Eine Welle rauschte in die Bucht und umflutete Willie Garvins Körper. Modesty wandte sich ab und suchte Colliers Blick. "Ich musste auf den Körper schießen", sagte sie gepresst. "Ich konnte keinen Kopfschuss riskieren. Unmöglich!"
Collier wich ihrem Blick aus und sah wieder auf Willie Garvin hinunter. Ein großer Brecher rollte heran. Er zerrte an der schlaffen Gestalt, überspülte sie und zog sie hinaus, vorbei an dem Floß, Arme und Beine willenlos herumgewirbelt wie bei einer zerbrochenen Gliederpuppe.
Die mächtige Strömung im Südteil der Bucht ergriff den Körper. Collier sah einen Schimmer brauner Haut, als eine Welle ihn herumwälzte und an den Booten der Moros vorbei ins offene Meer sog.
Luzifer legte lächelnd den Arm um Modestys Schultern. "Du darfst dich nicht bekümmern", meinte er. "Die Zeit war gekommen, diesen Mann in die unteren Regionen abzuberufen. Die Macht und die Entscheidung waren mein, Modesty. Du warst nur mein Werkzeug, um Asmodeus zufrieden zu stellen."
Collier sah düster auf die Bucht hinaus, wo der Körper vom heranwallenden Morgennebel verschluckt wurde.
"Ich denke, das hat sie großartig erledigt", sagte er.

Peter O´Donnell, I, Lucifer, 1967

Übersetzung: Peter Friedrich